

Das Logo ist weltweit bekannt. Der weiЯe Schriftzug The Godfather hдngt wie eine Marionette vor schwarzem Grund am Fadenkreuz. Derjenige, der die Fдden in der Hand hдlt, ist unsichtbar. Schon US-Regisseur Francis Ford Coppola hat fьr seine „Paten“-Trilogie eine Puppenspieler-Metapher gewдhlt. Damit deutet er seinem Kino-Publikum bereits auf dem Plakat an, dass die Welt der Mafia, die er in seinen Filmen beschreibt, nicht weit von der des Theaters entfernt ist. Zunдchst einmal hat der Mafia-Boss die Qualitдten eines Puppenspielers. Doch im Gegensatz zum Theater-Regisseur, der mit menschlichen Schauspielern arbeitet, die durch Bewegungsfreiheit und eigenen Willen in das zu Inszenierende eingreifen oder sogar sabotieren kцnnen, bestimmt der Puppenspieler prдzise jede einzelne Bewegung seiner Darsteller. Zufдlle haben nicht den geringsten Raum. Der Fдdenzieher bestimmt sдmtliche Aufgдnge und Abgдnge der Welt, die er auf seiner Bьhne darstellen mцchte. Das Spiel ist erst beendet, wenn er das Fadenkreuz niederlegt.
Tatsдchlich hat sich der Typus des Mafia-Bosses in den vergangenen Jahrzehnten in eine Position manцvriert, die ihm eine puppenspielergleiche, ja gottesgleiche Macht gibt, ьber Schicksale zu verfьgen. Wie bereits die umgangssprachliche Bedeutung des Begriffs „Mafia“ im Arabischen impliziert (fam. arab. „es existiert nicht“), ist es die Stдrke dieser Organisation, sich im Hintergrund zu verbergen. Die „Cosa Nostra“ (ital. „unsere Sache“, so bezeichnen sich sizilianische Mafiosi selbst) hat sich zum unsichtbaren und damit schwer bezwingbaren Fдdenzieher hinter sдmtlichen profitablen Bereichen unserer Welt entwickelt. Der Einfluss der Mafia reicht heute weit bis in die hohe Politik und in die Wirtschaft hinein.
Doch das Beziehungsverhдltnis zwischen Mafia und Theater lдsst sich noch viel weiter ausweiten. So ist der Begriff „Mafioso“ ьberhaupt erstmals im Jahre 1863 in dem ьberaus erfolgreichen Theaterstьck I Mafiusi di la Vicaria (sizilian. „Die Mafiosi des Gefдngnisses Vicaria“) in Erscheinung getreten, das von den Erlebnissen einer handvoll hierarchisch organisierter Verbrecher im Gefдngnis der Vicaria in Palermo handelt. Verbrecher, die sich dadurch von herkцmmlichen Banditen unterschieden, dass ihr Tun auf im Grunde nicht verwerflichen Tugenden basierten und in besonderer Weise sozio-historisch begrьndet werden konnten. Der Mafioso ist Ausdruck eines gemeinsamen politischen Selbstbewusstseins geworden, das die Sizlianer im Lauf ihrer von Ausbeuterei bestimmten Geschichte nie entwickeln konnten und erst Ende des 19. Jahrhunderts durch das von den spanischen Bourbonen hinterlassenen Machtvakuum mцglich wurde.
„Schweigepflicht und Sprachkunst“ behandelt in drei Hauptkapiteln verschiedenste Berьhrungspunkte und Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den kulturellen Systemen Mafia und Theater. So wird in einem sozio- und theaterhistorischen Komplex zunдchst verdeutlicht, wie sich der oben zitierte Prozess der politischen Selbstfindung parallel in der Entstehungsgeschichte der Mafia und in der Genese der ersten eigenstдndigen sizilianischen Kunstform widerspiegelt. Das neu gewonnene nationale Selbstbewusstsein der Sizilianer wird schlieЯlich in einem Dialekt-Theaterstьck ausgedrьckt, in dem Mafiosi die Hauptrollen spielen. Im Hauptteil dieses Buchs werden theatrale Formen innerhalb und auЯerhalb der Welt der Cosa Nostra sowie ihre Funktion analysiert. Dabei erscheint es mitunter sehr paradox, dass eine geheime Organisation, die sich dadurch auszeichnet, sich gerade nicht in Szene zu setzen, dies bisweilen offenbar aus den verschiedensten Grьnden tun muss. Nachdem der historische Bezug hergestellt und das theatrale Potential der Mafia benannt worden ist, soll im dritten und abschlieЯenden Teil schlieЯlich eine Dramenanalyse von vier Stьcken erfolgen, die in einem Zeitraum von etwa 150 Jahren vier verschiedene Theaterstrцmungen reprдsentieren und allesamt von sizilianischen Theaterautoren verfasst worden sind.
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